Viele erste Problemstellungen wurden in den folgenden Dekaden abgearbeitet und weitere Erfolge wie z. B. nachhaltige Initiativen gegen Fracking und bestimmte Pflanzenschutzmittel, die über 25 Jahre bestehende Kooperation mit der Landwirtschaft, der Auf- und Ausbau des AWWR-Meldeplans und nicht zuletzt die Unterzeichnung der Arnsberger Vereinbarung verbucht. Aktives und vorausschauendes Handeln hat das Krisenmanagement der Gründerjahre abgelöst. Themen wie die Vernetzung und Zusammenarbeit mit Behörden, Verbänden und eine transparente Öffentlichkeitsarbeit sind hierbei aktuell geblieben, neue, wie etwa die Spurenstoffproblematiken, sind hinzugekommen. „Der Leitgedanke – der vorbeugende Ressourcen- und Gewässerschutz sowie eine nachhaltigen Verbesserung der Ruhrgüte und der Wassermengenwirtschaft – ist und bleibt dabei übergeordnetes Ziel und Motivation der AWWR“, gibt Roland Rüther, Vorsitzender der AWWR, einen Ausblick auf die immer noch bestehende Aufgabenbereiche der Arbeitsgemeinschaft.
Den Spurenstoffen auf der Spur – Monitoringprogramm der AWWR und Vermeidung an der Quelle
Das AWWR-Monitoring von organischen Spurenstoffen war auch im Berichtsjahr eine der wichtigsten Maßnahmen im Rahmen der Versorgungssicherheit. Hierbei werden Einträge von relevanten Spurenstoffen aus Landwirtschaft und industriellen und kommunalen Abwässern an repräsentativen Messstellen entlang der Ruhr untersucht. Die Liste der untersuchten Stoffe wird regelmäßig auf neue Erkenntnisse hin angepasst. In 2017 wurden nunmehr 62 Substanzen von Flammschutzmitteln über perfluorierte Verbindungen bis hin zu Humanpharmaka im Oberflächenwasser überwacht, um den hohen Standard der Trinkwasserqualität sicherzustellen.
Die Ergebnisse belegen auch dieses Mal, dass die vom Umweltbundesamt festgelegten gesundheitlichen Orientierungswerte zumeist bereits im Rohwasser unterschritten wurden. Dennoch zeigt das Monitoring auf, dass bestimmte Stoffgehalte / Stofffrachten durch den anthropogenen Einfluss im Flussverlauf zunehmen. Hier setzt weiterhin die Forderung nach einer konsequenten Umsetzung des Vorsorge- und Verursacherprinzips an. „Denn Stoffe, die gar nicht erst in den Wasserkreislauf gelangen, müssen auch nicht mit viel Aufwand entfernt werden“, fasst Rüther den Grundgedanken zusammen.
Zu diesem Thema gilt es weiterhin die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und für Akzeptanz zu sorgen. Ein schönes Beispiel ist ein von u. a. der AWWR mit initiiertes und unterstütztes Forschungsprojekt zur Minimierung des Eintrags von Röntgenkontrastmitteln (RKM): MERK‘MAL. Die zwar für den Menschen ungefährlichen, aber durch ihre Wasserlöslichkeit schwer entfernbaren RKM gehören zu diesen Stoffen, deren Vermeidung an der Quelle zu forcieren es gilt, denn sie gehören nicht in den Wasserkreislauf.
Über einen Zeitraum von vier Monaten hinweg wurden in großen Mülheimer Krankenhäusern und Praxen, die Röntgenkontrastmittel verabreichen, Urinbeutel an PatientInnen verteilt. Die über den Urin ausgeschiedenen RKM wurden mit Hilfe der Urinbeutel geordnet entsorgt und gelangten erst gar nicht in den Wasserkreislauf. Die Akzeptanz der teilnehmenden PatientInnen war mit über 85 % erfreulich hoch. Ein signifikant positiver Einfluss auf die Ruhrwasserqualität konnte nachgewiesen werden.
Diese Ergebnisse haben die Akteure ermutigt, das Projekt in einer zweiten Phase fortzuführen. Mit dem Ausbau der Kooperation mit Beteiligten aus dem Gesundheitswesen, den Kommunalverwaltungen und verschiedenen Institutionen soll eine überregionale und institutionelle Expansion und eine baldige Verstetigung verwirklicht werden. Des Weiteren gibt dieser Erfolg Hoffnung, dass derartige Maßnahmen auch für die Rückhaltung anderer Stoffe nachhaltig umsetzbar sind.
„Das Projekt MERK‘MAL belegt, dass neben allem angewandten technischen Fortschritt in den Wasserwerken die Vermeidung an der Quelle die wahre Moderne im Gewässer- und Ressourcenschutz darstellt“, so Rüther zu dem Pilotprojekt.
Trinkwasserhöchstmengenförderung aufgrund anhaltender Hitzeperiode
Die mengenmäßig stets ausreichende und qualitativ einwandfreie Versorgung von rund 4,5 Millionen Menschen, Gewerbe und Industrie an der Ruhr und darüber hinaus mit mehr als 230 Millionen Kubikmetern Trinkwasser pro Jahr wurde auch in 2017 gewährleistet.
Aufgrund der lang anhaltenden Hitzeperiode in diesem Jahr hier ein kleiner Exkurs abseits des Berichtsjahres. In diesen Wochen waren die Wasserwerke an der Ruhr gefordert, dem erhöhten Wasserbedarf von bis zu 30 % über Durchschnitt zu entsprechen. Spitzentag war der 3. August 2018 mit einer Gesamtfördermenge von mehr als 812.000 m³ (durchschnittlicher Tageswert 630.000 m³). Dank der Talsperren des Ruhrverbandes und dem reibungslosen Betriebsablauf in den Wasserwerken wurde die Situation problemlos gemeistert.
Weitergehende Trinkwasseraufbereitung schreitet voran
Um den in der Ruhr vorkommenden organischen Spurenstoffen auch künftig optimal entgegentreten zu können, wird die bisherige naturnahe Wasseraufbereitung in vielen Ruhrwasserwerken aus Vorsorgegründen um zusätzliche technische Verfahrensschritte ergänzt. 2017 wurden zwei weitere Wasserwerke der AWWR-Mitgliedsunternehmen umgebaut bzw. erweitert: das Verbundwasserwerk Witten der VWW GmbH sowie das Wasserwerk Witten der Wasserwerke Westfalen GmbH (WWW). Es wurden weitere 20 Mio. € zur langfristigen Sicherung der Trinkwasserqualität investiert, so dass 70 % des Gesamtinvestitionsvolumens aller Mitgliedsunternehmen der AWWR von rund 300 Mio. € erreicht sind.
Jeder Wasserwerksbetreiber entscheidet sich unter Berücksichtigung der vor Ort herrschenden Rahmenbedingungen für ein eigens angepasstes technisches Konzept. Dieses muss jeweils von den Bezirksregierungen Arnsberg oder Düsseldorf genehmigt werden. Die Verbundwasserwerk Witten GmbH (VWW) nahm im vierten Quartal 2017 die ergänzte Ultrafiltration in Betrieb, WWW die „weitergehenden Wasseraufbereitungsanlage“ des Wasserwerks Witten. Mit der abschließenden Installation der Ultrafiltrationsanlage wurde die Erweiterung der Trinkwasseraufbereitung im Verbundwasserwerk Witten abgeschlossen. Die Ablösung der chemischen Desinfektion durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht wurde bereits im Vorfeld realisiert.
WWW setzte erneut auf die bereits im Wasserwerk Echthausen erfolgreich eingesetzte Kombination aus Ozonung, Flockung, Mehrschichtfiltration und Aktivkohleadsorption (Schwerter Verfahren) mit physikalischen Nachbereitungsschritten. Im Wasserwerk Witten musste nur noch die Aktivkohleadsorption zur Bindung von Spurenstoffen (z. B. Arneimittelrückstände und Pflanzenschutzmittel) ergänzt und die Entsäuerung mit Natronlauge auf ein physikalisches Verfahren umgestellt werden. Die ursprüngliche Desinfektion mit Chlordioxid wurde auch hier bereits im Vorfeld auf UV-Licht umgestellt.
Mit Inbetriebnahme dieser Anlagen ist die Trinkwasseraufbereitung in den beiden Wasserwerken nachhaltig erweitert und qualitativ auf eine neue Stufe gehoben worden.